Ein Gespräch mit Dr. Martin Mettin über interdisziplinäre und partizipative Lehre
Martin, Du lehrst derzeit an zwei sehr unterschiedlichen Hochschulen in verschiedenen Fachbereichen. Was genau umfasst Dein Lehrgebiet?
An der Humanistischen Hochschule Berlin unterrichte ich Humanistische Lebenskunde und Angewandte Ethik, während ich an der staatlichen Hochschule Wismar die Professur für Kulturwissenschaften in der Fakultät für Gestaltung vertrete. Dort lehre ich Kulturwissenschaften, Ästhetik und Designtheorie. Auf den ersten Blick scheinen das sehr unterschiedliche Bereiche zu sein, aber es gibt durchaus verbindende Elemente: In allen Fächern geht es im Grunde um die Frage, wie Menschen ihre Lebenswelt wahrnehmen, gestalten und reflektieren. Ob wir nun über ethische Fragestellungen nachdenken oder über ästhetische Theorien diskutieren – im Kern geht es immer um menschliche Erfahrung und deren Bedeutung für unser Zusammenleben.
Du unterrichtest sehr unterschiedliche Zielgruppen. Wie passt Du Deine Lehrmethoden an?
Das stimmt, die Unterschiede sind beträchtlich: In Wismar unterrichte ich junge Bachelor- und Diplomstudierende im Design- und Kunstbereich, während ich an der Humanistischen Hochschule Lehre für erfahrene Berufstätige im Weiterbildungsmaster anbiete. In beiden Kontexten verknüpfe ich Theorie mit Praxis, allerdings mit Blick auf die jeweiligen Besonderheiten: Bei Designstudierenden baue ich auf ihre gestalterische Arbeit auf, bei den Weiterbildungsstudierenden in Berlin integriere ich ihre Berufserfahrung und ihre pädagogische Tätigkeit.
Ästhetische Erfahrungen eröffnen oft unmittelbare Zugänge zu komplexen Themen – wie auch denen der Ethik.
Dr. Martin Mettin
Wie würdest Du Deine grundlegende Lehrphilosophie beschreiben?
Mein Ansatz ist partizipativ: Ich sehe mich als Moderator von Lernprozessen, nicht als reiner Wissensvermittler. Studierende sollen eigene Fragen entwickeln und methodisch erforschen. Ästhetische Bildung spielt dabei eine zentrale Rolle – nicht nur im Design, sondern auch in Ethik und Pädagogik. Ästhetische Erfahrungen eröffnen oft unmittelbare Zugänge zu komplexen Themen. Der interdisziplinäre und forschende Ansatz fördert kritisches Denken: Wenn wir ethische Fragen aus der Perspektive der Designtheorie betrachten oder kulturwissenschaftliche Ansätze auf Gestaltungsprozesse anwenden, ergeben sich überraschende Einsichten.
Gibt es ein konkretes Beispiel aus Deiner Lehre, das den forschenden Ansatz illustriert?
Ein anschauliches Beispiel ist die Spaziergangswissenschaft, die ich sowohl in Berlin als auch in Wismar nutze: Die Studierenden erkunden und analysieren dabei öffentliche Räume unter ästhetischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten, etwa, wie Sitzgelegenheiten die Interaktion beeinflussen, oder wie Geräuschkulissen, die Wahrnehmung von Sicherheit prägen. Solche Erfahrungen werfen immer grundsätzliche Fragen auf, beispielsweise über die soziale Verantwortung von Design oder Mitgestaltungsmöglichkeiten unserer eigenen Lebenswelt.
Ein Negativ-Beispiel, das die Studierenden der Angewandten Ethik erforscht haben, ist der Berliner Hauptbahnhof. Von außen betrachtet bietet er zwar eine spektakuläre Ansicht und prägt das Stadtbild, im Inneren jedoch ist alles auf Kommerz ausgerichtet und kaum auf die Bedürfnisse von Reisenden. Im Gegensatz dazu analysierten die Studierenden die Freifläche des Tempelhofer Feldes als öffentlichen Erholungsraum und als soziales Biotop. Eine demokratische Gesellschaft braucht solche Orte, an denen unterschiedlichste Menschen zusammenkommen und ihre Umgebung mitgestalten können.