Preis „Freiheit der Wissenschaft“ geht an Julian Nida-Rümelin

(c) Diane von Schoen

Gemeinsame Presseerklärung der Reinhard Hesse Stiftung und des Deutschen Hochschulverbands

 

Preis „Freiheit der Wissenschaft“ geht an Julian Nida-Rümelin

Reinhard Hesse Stiftung ehrt Philosophen als „Public Intellectual“ und unab­hän­gi­gen Geist

Professor Dr. Julian Nida-Rümelin, Rektor der im Oktober 2022 gegrün­de­ten Humanistischen Hochschule Berlin, seit Mai 2020 stell­ver­tre­ten­der Vorsitzender des Deutschen Ethikrats sowie bis 2020 Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie und poli­ti­sche Theorie an der LMU München, erhält den dies­jäh­ri­gen Preis „Freiheit der Wissenschaft“, den die Reinhard Hesse Stiftung zum zwei­ten Mal ver­gibt. Die Auszeichnung ist mit 5.000 Euro dotiert.

Der Philosoph und Stiftungsgründer Professor Dr. Dr. Reinhard Hesse begrün­det die Preisträgerwahl wie folgt:
„Julian Nida-Rümelin ist ein inter­na­tio­nal aner­kann­ter, pro­duk­ti­ver Wissenschaftler mit breit gefä­cher­ter Expertise ins­be­son­de­re auf den Gebieten der Entscheidungs- und Rationalitätstheorie, der theo­re­ti­schen und ange­wand­ten Ethik, der poli­ti­schen Philosophie und Erkenntnistheorie. Als Kulturreferent der Stadt München und als Staatsminister für Kultur und Medien im ers­ten Kabinett Schröder von 1998 bis 2022 hat er sich dar­über hin­aus poli­tisch pro­fi­liert. Als „Public Intellectual“, der sich seit­dem viel­fäl­tig und klug in gegen­wär­ti­ge gesell­schaft­li­che Debatten z. B. zu Bildung, Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz ein­schal­tet, hat er sich zusätz­li­chen Respekt und Anerkennung erwor­ben – zuletzt mit sei­ner Kritik an der gras­sie­ren­den Cancel Culture.

Julian Nida-Rümelin ist ein unab­hän­gi­ger, kri­ti­scher Geist, der Diskussionsprozesse anstößt und die Dinge gegen den Strich bürs­tet. Als Philosoph begrün­det er die mensch­li­che Freiheit mit der spe­zi­fi­schen Fähigkeit, Gründe abzu­wä­gen und auf die­ser Grundlage ver­ant­wort­lich zu han­deln. Folgerichtig warn­te er zu Zeiten der Corona-Pandemie ein­dring­lich davor, Präventionsmaßnahmen als alter­na­tiv­los zu prä­sen­tie­ren und abwei­chen­de Meinungen zu stig­ma­ti­sie­ren. Angesichts des anhal­ten­den Ukraine-Konflikts wider­setzt er sich einer weit ver­brei­te­ten, bedin­gungs­lo­sen Kriegslogik und wirbt für real­po­li­ti­sche, gesprächs­ori­en­tier­te Lösungen, in der die Interessen der Ukraine ange­mes­sen berück­sich­tigt und zugleich die Chancen für sta­bi­le Sicherheit und Frieden unter Einbeziehung Russlands aus­ge­lo­tet wer­den. Julian Nida-Rümelin bleibt ein frei­er Denker, der auf der Suche nach Wahrheit und dem rich­ti­gen Weg durch kla­re Gedankenführung und Worte besticht. Die in Krisenzeiten all­zu leicht in Vergessenheit gera­te­ne Tugend, Sachverhalte unvor­ein­ge­nom­men von allen Seiten zu betrach­ten, hat er sich als Wissenschaftler und öffent­li­che Figur stets bewahrt. Der Reinhard Hesse Preis „Freiheit der Wissenschaft“ fin­det in ihm einem wür­di­gen Träger.“

„Es ist für mich eine ganz beson­de­re Ehre als zwei­ter Preisträger „Freiheit der Wissenschaft“ unmit­tel­ba­rer Nachfolger des wohl renom­mier­tes­ten leben­den Intellektuellen und Sprachwissenschaftlers Noam Chomsky zu sein, den ich seit mei­ner Studienzeit bewun­de­re, wenn ich auch nicht mit allen sei­nen poli­ti­schen Stellungnahmen über­ein­stim­me“, erklärt Professor Dr. Julian Nida-Rümelin. „Auch Chomsky hat sich gegen die Normierungen der Debatte an ame­ri­ka­ni­schen Colleges und Universitäten aus­ge­spro­chen, die schon zahl­rei­che Entlassungen wis­sen­schaft­li­chen Personals zur Folge hat­ten. In den 1970er Jahren gab es schon ein­mal den Versuch, die Wissenschaft auf poli­ti­sche Ziele fest­zu­le­gen (das soge­nann­te Finalisierungsprogramm), heu­te ist die Freiheit der Wissenschaft durch die Verengung des ver­meint­lich zuläs­si­gen Meinungskorridors, aber auch durch ihre zuneh­men­de Abhängigkeit von öko­no­mi­schen und insti­tu­tio­nel­len Interessen gefähr­det. Aber der freie Geist ist der Ursprung und sei­ne Einengung wäre das Ende der Europäischen Universität.“

„Sowohl die Demokratie als auch die Wissenschaft pro­fi­tie­ren vom kon­struk­ti­ven Streit, der die Vielfalt unter­schied­li­cher Positionen und Perspektiven vor­aus­setzt“, ergänzt Professor Dr. Dr. h.c. Lambert T. Koch, Präsident des Deutschen Hochschulverbands und Kuratoriumsmitglied der „Reinhard Hesse Stiftung“: „Der Einsatz für eine offe­ne, sach­ori­en­tier­te und von gegen­sei­ti­gem Respekt gepräg­te Debattenkultur ist ange­sichts eines hohen media­len und gesell­schaft­li­chen Erregungspotenzials wich­tig. Die ‚Reinhard Hesse Stiftung‘ ist die­sem Ziel ver­pflich­tet und leis­tet dazu einen wert­vol­len Beitrag.”

Der Stiftungsgründer Professor Dr. Dr. Reinhard Hesse war von 1994 bis 1995 Lehrstuhlinhaber für Internationale Beziehungen am Institut für Politikwissenschaft der Universität Gießen und von 1996 bis zur Pensionierung 2010 auf dem Lehrstuhl für Philosophie und Ethik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg tätig. Das Vermögen der im Jahr 2021 gegrün­de­ten „Reinhard Hesse Stiftung“ wird vom Deutschen Hochschulverband ver­wal­tet. Zweck der Stiftung ist die Förderung von Personen und Organisationen, die sich um die Freiheit der Wissenschaft ver­dient gemacht haben oder ver­dient machen. Dieser Zweck wird ins­be­son­de­re ver­wirk­licht durch die regel­mä­ßig statt­fin­den­de Vergabe des Reinhard Hesse Preises „Freiheit der Wissenschaft“, des­sen ers­ter Träger Professor Dr. Noam Chomsky, eme­ri­tier­ter Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology, ist. Chomsky, ein streit­ba­rer und streit­freu­di­ger Geist, der im Alter von 94 Jahren immer noch eine Ehrenprofessur an der University of Arizona in Tucson beklei­det, wur­de wegen sei­nes beharr­li­chen Engagements für eine unvor­ein­ge­nom­me­ne und tabu­lo­se Debattenkultur geehrt.

 

https://www.hochschulverband.de/aktuelles-termine/gemeinsame-presseerklaerung-der-reinhard-hesse-stiftung-und-des-deutschen-hochschulverbands 

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